Die Ermordung des Leonhard Ehrhard

Im Mai 1839 wird der Schmiedemeister und Gemeinderechner Leonhard Ehrhard aus Nieder-Kainsbach während einer Geschäftsreise nahe Mannheim von dem Tagelöhner Johannes Sprengel ausgeraubt und ermordet.

Als Leonhard Ehrhard am frühen Morgen des 29. April 1839 zu einer Geschäftsreise aufbrach, ahnte niemand in seiner jungen Familie, dass sie ihren Vater und Ernährer nicht wiedersehen würden. Der Vater von sieben Kindern, von denen der Älteste vierzehn Jahre und das Jüngste gerade sechs Monate alt war, hatte in den umliegenden Städten Geschäfte abzuwickeln. Der Siebunddreißigjährige wandte sich daher zunächst nach Darmstadt und reiste noch am selben Tag weiter nach Königstädten, zu seinem Bruder, dem Metzger Wilhelm Ehrhard. Nachdem er dort die Nacht verbracht hatte, ging er am nächsten Tag nach Mainz und später nach Worms, um bei verschiedenen Händlern die Entlohnung für gelieferte Eisenwaren in Empfang zu nehmen. Das Geld steckte er in einen ledernen Gurt, den er um die Hüften trug. Am 1. Mai 1839 traf der etwa 170 cm große Leonhard Ehrhard in Mannheim ein, wo er ebenfalls bei verschiedenen Händlern Geld für gelieferte Waren erhob (1). Bekleidet war er mit einem grüntuchenen Frack mit gelben Metallknöpfen, aber ohne Kragen. Auf dem Kopf trug er eine dunkle Schildkappe; außerdem führte er einen Regenschirm mit sich.

Am Nachmittag dieses 1. Mai begegnete Leonhard Ehrhard, Schmiedemeister und Gemeinderechner zu Nieder-Kainsbach, den die "Annalen der Großherzoglich Badischen Gerichte" als einen "geschickten, fleißigen Arbeiter und ehrlichen Mann, der von seinen Mitbürgern sehr geschätzt wurde", ohne es zu wissen zum ersten Mal seinem Mörder, als er die gerade in Mannheim stattfindende Messe besuchte. Denn zu gleicher Zeit trieb sich auch der mehrfach vorbestrafte Bauernknecht und Tagelöhner Johannes Sprengel aus Wallstadt auf dem Markt herum. Als er den Schmied mit dem Gurt um die Hüften erblickte, habe er, wie er sagte, "böse Gedanken und den Entschluss gefasst" (2), sich des Geldgurtes zu bemächtigen.

Als Sohn eines Tagelöhners hatte Sprengel eine erbärmliche Kindheit und blieb weitgehend sich selbst überlassen. Er genoss nur spärlichen Landschulunterricht und wurde bereits mit siebzehn Jahren für einen Diebstahl verurteilt, den er fast verwahrlost, aus "bitterer Not" verübte, wie er behauptete. Kaum aus der Haft entlassen, beging er die nächsten Verbrechen und wurde mit neunzehn Jahren zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe verurteilt, die er in Bruchsal absaß. Dort sei er, wie er aussagte, "von den schlechten Leuten ganz verdorben worden sein" (3).

Sprengel folgte Leonhard Erhard bis zum Wirtshaus "Zum roten Haus", wo dieser einkehrte und die Nacht verbringen wollte, um am darauffolgenden Tag die Heimreise nach Nieder-Kainsbach anzutreten. Aufgrund der Kleidung des Schmiedemeisters schloss Sprengel, dass es sich um einen Odenwälder handeln müsse, der die Stadt durch das Neckartor verlassen würde. Die Nacht verbrachte der dreiundzwanzigjährige Sprengel auf den Straßen und im Stroh eines Wagens, der vor dem Wirtshaus stand. Gegen drei Uhr früh stand Sprengel auf und stellte sich ans Neckartor, da er vermutete, dass der Schmied nun bald aufbrechen würde.
Gegen vier Uhr passierte Leonhard Erhard auch tatsächlich das Neckartor, um die Heimreise anzutreten. Sprengel, etwa von gleicher Größe wie der Schmied, jedoch von starkem Körperbau, folgte ihm über die Neckarbrücke und bewaffnete sich mit einem Prügel aus einem in der Nähe befindlichen Holzstapel, bevor er sein späteres Opfer einholte. Er begann mit dem arglosen Wanderer ein Gespräch und begleitete ihn etwa eine halbe Stunde lang, bis er in einem am Wegesrand sitzenden Dunghaufen den geeigneten Platz zur Ausführung der Tat erblickte.

Sprengel, der seine Mutter früh verlor und Sohn eines Taglöhners und Gänsehirts war, den der Gemeinderat von Wallstadt als "zu jener Klasse von Menschen gehörend" bezeichnete, "die voll Trug und Lug sind und sich von Nichts als Diebereien ernähren" (1), wich nun einen Schritt hinter seinen Begleiter zurück und versetzte ihm mit seinem verborgen gehaltenen Prügel aus Buchenholz einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf. Der arglose Schmiedemeister brach sogleich bewusstlos am Chausseerand zusammen, atmete jedoch noch - worauf ihm Sprengel einen zweiten und dritten Schlag versetzte, die zum Tod des Leonhard Ehrhard aus Nieder-Kainsbach am frühen Morgen des 2. Mai 1839 führten. Sprengel nahm seinem Opfer sofort den Geldgurt, den Frack und den Regenschirm ab und vergrub den Leichnam, nachdem er ihn über die Chaussee geschleift hatte, in dem Dunghaufen. Mit seiner Beute eilte er zur nahegelegenen Sandinsel am Neckar und vergrub sie dort samt Prügel. Den größten Teil der Barschaft des Erschlagenen in Höhe von etwa 170 Gulden in Gold und Silber versteckte er abseits davon.

Mit dem Rest des Geldes ging er zurück nach Mannheim und begab sich gegen sechs Uhr ins Gasthaus "Zum Stern", wo die dienstlosen Knechte ihre Herberge hatten. Dort begann er mit noch blutbefleckten Kleidern zu zechen und zeigte sich den dort versammelten Gästen spendabel. Er kaufte neue Stiefel für sich und einen seiner Kumpane und zechte bis etwa zehn Uhr weiter. Kurz zuvor war der Wirt des "Sterns" ausgegangen und hatte erfahren, dass an der Käferthaler Chaussee ein Mann ermordet und beraubt worden war. Nachdem der Wirt daraufhin Verdacht schöpfte und seinen allzu großzügigen Gast zur Anzeige brachte, begab sich Polizeikommissar Hofmann mit einigen Polizeidienern zum Gasthaus "Zum Stern" und nahm Johannes Sprengel, den er beim Kartenspiel vorfand, in Arrest.
Nach anfänglichem Leugnen gestand Sprengel seine Tat schließlich im dritten Verhör am Pfingstsonntag, den 19. Mai. Daraufhin wurde Sprengel am 25. September 1839 "zur Todesstrafe mittelst öffentlicher Enthauptung durch das Schwert" verurteilt (1). Nachdem das Urteil am 5. Dezember bestätigt worden war, wurde Sprengel am 20. Dezember mitgeteilt, dass die Vollstreckung am Montag, den 23. Dezember 1839 um 9.00 Uhr außerhalb von Mannheim in der Nähe der Heidelberger Barriere stattfinden werde.

Johannes Sprengel, trotz seiner kriminellen Vergangenheit ein gottesfürchtiger Mann, bereute seine Tat im Laufe der Haft wohl ernsthaft, bat mehrfach um Verzeihung und schrieb sogar unaufgefordert den folgenden Brief an die Witwe des Leonhard Ehrhard:
"Johannes Sprengel schreibt hier einen Brief an die Frau Schmidtin Lenhardt Ehrhardt das mir leid ist, das ich sie und Kinder so in Unglück gebracht habe. Verzeihet doch mir, wie lange hätte noch läben können, wenn ich das nicht gethan hatte, verzeihet mir, ich bekomme jetzt meine Strafe dafier die mir gebührt; ich habe schon für euch gebetet, es ist mir leid das Geld nicht mehr gefunden worden ist, das ich euch gerne zurück gegeben hätte, wenn ich es hätte machen können. Läbet wohl. In Mannheim an 21. Dezember 1839. Johannes Sprengel." (3)

Aufgrund seiner Reue, seiner Gottesfurcht und seinem Alter von nur dreiundzwanzig Jahren wurde Johannes Sprengel nur wenige Stunden vor seiner Hinrichtung von Großherzog Leopold von Baden begnadigt. Die Todesstrafe wurde nach einer Verfügung des badischen Staatsministeriums vom 23. Dezember 1839 in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt (1). Sprengel verbrachte den Rest seines Lebens im Gefängnis. Er starb am 24. März 1862 im Männerzuchthaus Bruchsal (4).

Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde Peter, der älteste und damals vierzehnjährige Sohn von Leonhard Ehrhard, zum Hoferben ernannt (5). Am 4. Mai 1839 kam Peter, begleitet von zwei Verwandten, in Mannheim an, um sich nach dem Schicksal seines Vaters zu erkundigen. Man legte ihm den auf der Sandinsel gefundenen Frack, Regenschirm und weitere Kleidungsstücke seines Vaters vor, die er als Eigentum seines Vaters identifizierte. Auch Peter erlernte das Schmiedehandwerk und führte die Linie der Familie Ehrhard weiter (5). Nachfahren leben noch heute in Nieder-Kainsbach.

Anmerkungen:

  1. Johann Baptist BEKK und Christian Theodor GROOS: Annalen der Großherzoglich Badischen Gerichte, Achter Jahrgang vom 4. Januar 1840, Nr. 1, S. 1 - 8 sowie vom 11. Januar 1840, Nr. 2, S. 9 - 11.
  2. Beilage zum Mannheimer Journal, Sonntag, 22. Dezember 1839, Nr. 304
  3. "Der Sammler", Beilage zur Augsburger Abendzeitung, Achter Jahrgang, 1839, Nr. 52.
  4. Landesarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe
  5. Georg Kredel: Chronik des Dorfes Nieder-Kainsbach, 2004, S. 288 - 289.
  6. Mit Dank an Herrn Walter Large, Mannheim/Wallstadt

14. August 2012, © Reiner Müller, alle Rechte vorbehalten